Mecklenburg-Strelitz

Circulare der Landeskirche von Mecklenburg-Strelitz

Peter Kierspel

Die evangelisch-lutherische Kirche in Mecklenburg-Strelitz war bis 1918 Staatskirche, es gab keine Trennung von Staat und Kirche. Der (Groß)Herzog war „Oberbischof“, sein höchster Kirchenbeamter der Superintendent in Neustrelitz. Dieser war direkter Vorgesetzter der ca. 70 beamteten Pastoren in Mecklenburg-Strelitz. Im 170 km entfernten Landesteil Fürstentum Ratzeburg vertrat der Probst im Domhof Ratzeburg die Kirchenleitung.

Die Pastoren (und ihre untergebenen Mitarbeiter wie die „Küster und Lehrer“) waren wichtige Instanzen zur Verbreitung religiöser und volkserzieherisch-politischer Botschaften im Land. Die (Groß)Herzöge ernannten die Pastoren persönlich, Rittergutsbesitzer und „die Landschaft“ (Magistrate der Städte) nahmen Einfluss darauf. Loyalität zu diesen Repräsentanten der landständischen Ordnung war Grundvoraussetzung für den Zugang zu kirchlichen Ämtern.

Circulare (Reihenbotenbriefe) waren Rundschreiben mit Anweisungen für die Pastoren in den sieben Synoden (regionale Pfarrverbünde) des Landes. Absender waren vor 1839 die Superintendenten, nach 1839 die Vorsteher der einzelnen Synoden (Präpositus). Die Circulare wurden reihum geschickt, geöffnet, gelesen, wieder verschlossen und dann an die Nachbar-Pastoren weitergeleitet. Das geschah per Post, wo Postrouten bestanden, und durch Boten. Den günstigsten Weg zwischen den Pfarreien wusste man.

9 Circulare sind mir bekannt, davon 8 mit Inhalt. Sie zeigen Unterschiede in postalischer Aufmachung und Inhalten. Das hat mit einer kritischen Diskussion über Synoden um das Jahr 1839 zu tun. Die wenigen Belege dokumentieren Veränderungen aufgrund kirchenpolitischer Entscheidungen im Jahr 1839.

Vor 1839 hatten die „Synoden“ offenbar ihre Bedeutung als Parlamente der kirchlichen Selbstverwaltung auf regionaler Ebene verloren. Die Pastoren sollten sich in regionalen Gruppen über kirchlich-pastorale Fragen austauschen, ursprünglich sogar unter Mitwirkung von Laien.

In einer zeitgenössischen Kirchengeschichte von 1840* heißt es. „Die außer Gebrauch gekommenen Synodalversammlungen der Geistlichen wurden in Mecklenburg-Schwerin 1773 und 1783 von neuem befohlen. In Mecklenburg Strelitz hat ebenfalls die neueste Zeit (26. Febr.1839), die auch dort in Verfall gerathene kirchliche Synodaleinrichtung wiederhergestellt und ihr durch eine neue Synodalordnung (14. August) eine kräftige zeitgemäße Grundlage gegeben.“

*Julius Wiggers: Kirchengeschichte Mecklenburgs, S.228, Parchim und Ludwiglust 1840

1839 schreibt der oberste Strelitzer Kirchenbeamte, Superintendent Kämpffer, Synoden bestünden in Strelitz „nur noch dem Namen nach“. Ein Erlass des Großherzogs und ein Hirtenbrief Kämpffers von 1839 soll das ändern*: Das Amt des Präpositus der Synode wird geschaffen, um die lokalen Synoden zu stärken. Der Präpositus koordiniert die Zusammenarbeit der Pastoren seiner Synode in Kooperation mit der Kirchenleitung.

*Allgemeine Kirchenzeitung Nr.150 von 1839.

Circulare vor dem Jahr 1839

Der (Groß)Herzog gab per Erlass die Anweisung an den Superintendenten, in den Kirchen des Landes etwas bekannt zu machen. Der Superintendent schreibt Circulare, deren Umlauf die Pastoren der einzelnen Synoden regional irgendwie organisierten.

Die erhaltenen Circulare vor 1839 (2 herzogliche Erlasse und 4 Circulare) haben säkulare Inhalte.

Sie stammen aus den Synoden Friedland und Neubrandenburg bzw. der Synode Fürstenthum Ratzeburg. Inhalte sind:

  • Express-Cirular mit hochbrisanter politischer Botschaft im sog. „Thronfolgestreit“ (1752); die Neuentdeckung wird demnächst im Rundbrief vorgestellt
  • Eine Kollekte anlässlich eines Kirchenbrandes ist durchzuführen (1778)
  • Die Geburt einer Prinzessin ist bekanntzugeben (1821)
Circular von 1778: Erlass des Herzogs, Circular des Superintendenten, Umlauf unter den Pastoren der Synode

Circular des Superintendenten Masch vom 30.5.1778 zum Erlass des Herzogs vom 22.4.1778 an die Pastoren der Friedländischen Synode.

„Den Hochwohlehrwürdigen und Hochwohlgelehrten Herren Pastoribus des Friedländischen Synodi Auf dem Werder Meinen Hochzuehrenden Herren Confratrebis a Warlien……Herschaftl.“

Die Pastoren erhielten reihum den Brief, brachen das Siegel, quittieren den Empfang, verschlossen mit eigenem Siegel.

Der Weg, den das Circular nahm, ist ein Hinweis darauf, dass die Synoden tatsächlich „nur noch dem Namen nach“ bestanden, wie der Superintendent Kämpffer 1839 beklagte. Synodalgrenzen spielten beim Rundlauf offenbar keine Rolle.

Denn aus der Anschrift des Circulars ( „a` Warlien“) und 8 Empfangsquittungen innen lässt sich erkennen, dass es zunächst unter einigen Pastoren der Neubrandenburger Synode zirkulierte, deren Kirchen zufällig nahe zum Gebiet der Friedländer Synode lagen. Das Circular wurde am 1.4. vom Pastor der Pfarre Warlin, Neubrandenburger-Synode, „mit der Post empfangen und weiter befördert“, wie er quittiert. Dann quittieren weitere 7 Pastoren der Neubrandenburger Synode zwischen dem 1. bis 4. Juni 1778 den Erhalt und zuletzt der Pastor von Roga in der Friedländer Synode. Von Roga aus wird es dann weiter unter den 12 Pastoren der Friedländer Synode zirkuliert sein.

Erlass des Herzogs Adolph Friedrich IV. vom 22.4.1778 an den Superintendenten Masch.

In sämtlichen Kirchen des Landes soll „eine einfache Collecte“ zum Wiederaufbau der abgebrannten Kirche in Leppin bei Neubrandenburg durchgeführt werden (1775 brannten Ort und Kirche ab). Der Besitzer des Rittergutes Leppin, Klosterhauptmann von Oertzen, hat die Kollekte angeregt. 6 Synoden im Kernland sollen per Circular informiert werden, nicht aber die Synode Fürstenthum Ratzeburg.

Der Text des Circulars ist identisch mit dem Inhalt des herzoglichen Erlasses: Eine Kollekte für die abgebrannte Kirche in Leppin ist durchzuführen.

Circulare nach dem Jahr 1839

Der Präpositus einer Synode erfuhr jetzt vom Superintendenten, was er den Pastoren seiner Synode per Circular mitzuteilen hatte. Er selbst schrieb das Circular, brachte es für die Pastoren seiner Synode auf den Weg und erhielt es nach Umlauf zurück.

Die Inhalte der erhaltenen Circulare haben jetzt überwiegend pastoralen Charakter. 5 Circulare aus der Synode Wesenberg-Mirow sind mir bekannt, davon 1 Paketbegleitbrief. Die Inhalte sind:

  • Eine Kollekte ist durchzuführen, (1845)
  • Bestimmte Bibelstellen müssen in Sonntagspredigten behandelt werden (1845, 1851)
  • Ein Synodaltreffen ist mittels einer „Synodalabhandlung“ vorzubereiten, die im Paket beiliegt. (1850)
Beispiel von 1845

1845 Circular des Präpositus Giesebrecht für die Wesenberg–Mirower Synode

„An die Hochehrwürdigen Herrn Prediger der Wesenberg=Mirower Synode. Herrschaftliche Synodalsache“.

Präpositus Giesebrecht fertigt und unterschreibt ein Circular, teilt den 5 Pastoren seiner Synode mit, welche Bibelstellen im Gottesdienst der 3 Bußtage des Jahres 1846 behandelt werden. Der Superintendent hat das festgelegt und den Präpositus informiert. Die Pastoren bescheinigen, wann sie den Brief erhalten und weitergeleitet haben.

Das Circular lief vom 29.10. bis 10.11.1845 auf folgendem Weg:

  • mit Boten: Präpositus Giesebrecht in Mirow an Pastor Bluhme in Gaarz (10 km)
  • mit Boten: von Gaarz an Pastor Behn in Schillersdorf (16 km)
  • mit Boten und Post: von Schillersdorf über L2 NEUSTRELITZ 1.11.1845 an Pastor Stüber in Kratzeburg (38 km)
  • mit Post: von Kratzeburg über L2 NEUSTRELITZ 5.11.1845. an Pastor Nahmmacher in Wesenberg (26 km) 6.11.
  • mit Boten: von Wesenberg an Pastor Walz in Strasen (10 km) 7.11.
  • mit Boten und Post: von Strasen über L2 WESENBERG 9.11.1845 zurück an Präpositus Giesebrecht in Mirow (20 km)
Beispiel von 1850

1850 Circular des Präpositus Giesebrecht für die Wesenberg – Mirow Synode, auch PAKETBEGLEITBRIEF

„An die Hochehrwürdigen Herrn Prediger der Wesenberg=Mirow Synode. Herrschaftl. Synodalsache Hierbei eine Actenrolle gez: W.M.S.“.

Präpositus Giesebrecht lässt sein Schreiben und eine Aktenrolle unter den 4 Pastoren seiner Synode zirkulieren. (Die Pastorenstelle in Alt Gaarz ist nicht besetzt). Zur Vorbereitung des nächsten Synodaltreffens wird eine Akte mitgeschickt: „hierbei die Synodalabhandlung zur nächsten Michaelissynode“.

Das Circular mit Aktenrolle lief von ca. 20.7. bis 18.10.1850. Die dreimonatige Laufzeit des Circulars entsteht wegen der Lektüre der Akte. Es ist genau mit Datum angegeben, wie lange jeder Pastor sie behalten darf. Der letzte (Pastor Walz) soll sie zur Michaelissynode mitbringen.

  • mit Boten: Präpositus Giesebrecht in Mirow an Pastor Behn in Schillersdorf (9 km)
  • mit Boten und Post: von Schillersdorf an Pastor Stüber in Kratzeburg (38 km)
  • mit Post: von Kratzeburg über L2 NEUSTRELITZ 20.7.1850. an Pastor Nahmmacher in Wesenberg L2 WESENBERG 20.7.1850 (26 km)
  • mit Boten: von Wesenberg an Pastor Walz in Strasen (10 km).

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